Das Weingut Schloss Lieser mit dem in direkter Nachbarschaft liegendem Puricelli-Schloss sind ein Juwel an der Mittelmosel. In den 60er Jahren erwarben verschiedene Besitzer das Weingut, investierten nichts mehr, so dass es leider nach und nach verfiel. 1992 restaurierten erste Investoren die in die Jahre gekommene Immobilie, allerdings gerieten sie Mitte der 1990er Jahren in finanzielle Schwierigkeiten und es schien, als würde das Weingut erneut dem Verfall preisgegeben werden.
In diesem sanierungsbedürftigen Zustand kaufen 1997 Thomas Haag gemeinsam mit seiner Frau Ute das Weingut Schloss Lieser. Mit seiner langjährigen Erfahrung im elterlichen Betrieb Fritz Haag und harter Arbeit und Engagement wurde das ehemals berühmte Weingut im Laufe der 90iger Jahre wiederaufgebaut und in der Spitze der deutschen Rieslingerzeuger etabliert. Zum Weingut zählen mittlerweile 24 Hektar in den besten Steillagen der Mittelmosel, so z.B. Niederberg Helden, Brauneberg Sonnenuhr und Juffer, Wehlen Sohnenuhr u.a. Diese zeichnen sich vor allem durch ihre blauen Schieferverwitterungsböden aus. Das Lagenportfolio verbunden mit einer natürlichen Ertragsreduzierung, 100 Jahre alte Reben, sowie die selektive Handlese in mehreren Durchgängen garantieren Weine mit außergewöhnlichem Lagerungspotential.
Schloss Lieser Weine vergären alle spontan mit Naturhefen bei niedrigen Temperaturen im 100 Jahre alten Gewölbekeller. Sie zeichnen sich vor allem durch ihre Komplexität, Eleganz und Mineralität bei niedrigem Alkoholgehalt aus. Einzigartig ist die perfekte Balance des Süße-Säure-Spiels. Durch die Spontangärung werden Terroir und Lagencharakter hervorragend herausgearbeitet und so besitzen Schloss Lieser Rieslinge immer ihre eigene Identität. Nach Jahren harter Aufbauarbeit in Keller, Weinbergen und Gebäuden, sowie dem hohen Anspruch an sich selbst, höchstmögliche Riesling Qualität zu erzeugen, honorierte der GaultMillau Thomas Haag mit dem Titel „Winzer des Jahres“ 2015. Seitdem sind sie in allen renommierten Weinführern Deutschlands mit der höchsten Bewertung als „WELTKLASSE WEINGUT“ ausgezeichnet. Aktuell wurde das Weingut vom bekannten Weinguide FALSTAFF mit der Höchstauszeichnung „Winzer des Jahres“ 2021 gekürt.
Auch die junge Generation teilt die Leidenschaft und Liebe zum Wein und unterstützt ihre Eltern tatkräftig im Betrieb. Nach dem Studium der Internationalen Weinwirtschaft und dem WSET® Level 4 Diploma in Wines im Burgenland sowie mehreren Praktika im Ausland, ist Tochter Lara auf den Vertrieb und Export des Weinguts fokussiert. Sohn Niklas steht nach seiner Ausbildung zum Winzer und neben seinem Önologiestudium Thomas im Keller und Außenbetrieb fleißig zur Seite.
Wir kamen in den Genuss, das Weingut im November 2022 zu besuchen und einige Weine zu verkosten. Anschließend stellte sich Thomas Haag einem Interview zur Verfügung:
10 Fragen an Thomas Haag (Weingut Schloss Lieser)
1. Kann man feststellen, Sie wollten ans Ruder, Ihr Vater aber (noch) nicht loslassen? Deshalb blieb es dem jüngeren Bruder Oliver überlassen, später das elterliche Weingut zu übernehmen. Sie wendeten sich mit Frau Ute einem ungewissen aber spannenden Projekt zu...
2. Wie war das als Betriebsleiter 1992 auf Schloß Lieser?T.H.: Das Thema Übernahme des elterlichen Weinguts stellte sich für uns nicht. Wir wollten von Anfang an etwas Eigenes machen. Mein Vater wäre auch in den 1990er noch zu jung gewesen, um den Betrieb abzugeben. Ich fand das Thema Weingut Schloß Lieser eine gute Möglichkeit, etwas aufzubauen. Aber spannend und ungewiss war es in jedem Fall. Doch genau diese Herausforderung hatte seinen Reiz.
T.H.: Das Anwesen war ziemlich heruntergewirtschaftet. Die Gebäude marode, keinen Flaschenbestand, keine Fässer. Wir haben quasi bei Null angefangen. Es gab damals einige Saisonhelfer aus Pakistan und einen älteren Mann aus dem Dorf, der kurz vor der Pension stand. Aber zum Weingut gehörten einige Hektar Rebfläche in besten Lagen: Hauptsächlich Niederberg Helden direkt bei Lieser und Himmelreich in Graach. Wir erkannten das Potential und fingen einfach an...
3. 1997 kauften Sie dann zusammen mit Ihrer Frau Ute das Weingut. Wie schafft man es, in weniger als 15 Jahren einen so gewaltigen Sprung zu schaffen: Eichelmann 2013 beste edelsüße Kollektion des Jahres 2011, ganz zu schweigen von 2015 Winzer der Jahres Gault Millau.
T.H.: Viel Energie, viel Arbeit und eine klare Vision mit einem machbaren Ziel. Aber es waren natürlich entbehrungsreiche Jahre, auch mit der Geburt unserer 3 Kinder in den 90ern.
4. Verantwortung gegenüber der Natur ist Ihnen wichtig, es wird Ihnen der Ausspruch nachgesagt: „So wenig wie möglich, so viel wie nötig.“ Sie arbeiten sehr naturnah, aber haben kein BioLabel, wie Bioland, EcoVin oder Demeter?T.H.: Nachhaltigkeit ist für uns ein wichtiger Bestandteil und ein Ziel für die kommenden Jahre. Eine Zertifizierung ist angestrebt und wird in den nächsten Jahren realisiert werden. Allerdings ist im Bereich der Mosel mit ihren Steillagen und den klimatischen Bedingungen ein biodynamischer Weinbau schwer umsetzbar. 10-15 Jahre würde eine solche Umstellung benötigen, der Weg dahin ist aus unserer Sicht früher oder später unumgänglich. Die nächste Generation, welche ja schon im Betrieb integriert ist, wird das sicher anpacken.
5. Ein Winzer, der über mehreren Wochen hintereinander keinen einzigen Tropfen Wein zu sich nimmt, und das hat keinen fastengeschichtlichen Hintergrund...
T.H. schmunzelt.: Teils – teils. Einerseits trinkt man als Winzer das ganze Jahr über natürlich immer wieder Wein. Sei es der eigene oder von anderen Weingüter, um zu sehen was geht oder wo man steht. Da ist so eine Pause wichtig, um mal wieder herunterzufahren. Andererseits ist die Zeit der Weinlese für mich die Wichtigste und ich brauche in dieser Phase höchste Konzentration und meinen vollen Focus auf die Arbeit. Da ich in der Zeit der Lese viel und hochkonzentriert arbeite und mir wenig Schlaf gönne, ist ein wenig Abstinenz hilfreich.
6. Mittlerweile spielen Sie auf allen Toplagen der Mittelmosel mit. Gibt es die eine Lieblingslage und ist das auch bei Ihrer Frau und den Kindern die gleiche?
T.H.: Eher nein. Klar, wir haben mit der Lage Niederberg Helden angefangen, doch jede Lage besitzt so etwas wie eine Persönlichkeit und für mich ist es das spannendste, die unterschiedlichen Terroirs penibel herauszuarbeiten.
7. Was macht den Thomas Haag’schen Moselriesling so einzigartig?
T.H.: Puristische Weine zu erzeugen, so präzise wie möglich die unterschiedlichen Lagen herauszuarbeiten. Dafür gehen wir mehrfach zur Lese in die Weinberge und selektieren die idealen Trauben für den jeweiligen Wein aufwändig. Die Entscheidung, wann wir welches Traubengut ernten, ist so etwas wie der Schlüssel zum Erfolg.Wir arbeiten schonend und behutsam, die Trauben werden mit niedrigen Druck gepresst und mit eigenen Hefen spontan vergoren. Und wir verwenden für unsere Großen Gewächse nur Stahltanks, damit die reine und pure Mineralität unserer Spitzenrieslinge nicht verloren geht. (Wir haben gerade 2 Große Gewächse im Probierglas und können dem nur zustimmen: einen von der Wehlener Sonnenuhr und einen von der Juffer Sonnenuhr. Der eine „femininer“ der andere mehr „puristisch“. Beide aus 2021. Beide sehr komplex und doch völlig unterschiedlich in den Nuancen.

Weingut SCHLOSS LIESER 2020 Niederberg Helden Riesling Auslese Goldkapsel
8. Welche Projekte planen Sie für die nahe Zukunft?
T.H.: Die Betriebsgröße ist für uns als Familienbetrieb aktuell mehr als ausreichend, wir stellen je nach Jahrgang zwischen 140.000 und 180.000 Flaschen her, davon gehen mindestens 50% in den Export. Details werden wir noch optimieren und das Thema Nachhaltigkeit in der nahen Zukunft ausbauen. Sohn Niklas hat im Sommer sein Weinbaustudium in Geisenheim erfolgreich beendet und unterstützt mich in Keller und Weinberg. Wir vinifizieren gerade seinen (und unseren ersten) Spätburgunder mit alten Reben aus der Großen Lage Niederberg Helden, den wir seit kurzem unser Eigen nennen können – das wird eine spannende Geschichte!
9. Was war Ihre schönste vinophile Erinnerung?
T.H.: Ich lebe im Hier-und-Jetzt und erfreue mich an den jeweiligen Weinen der aktuellen Jahrgänge... aber wenn ich jetzt so überlege: vor wenigen Wochen hatten wir zum Geburtstag unserer ältesten Tochter eine 1992er Niederberg Helden Spätlese Magnum geöffnet und waren von der Jugendlichkeit unseres 1. Eigenen Jahrgangs begeistert. Ein Wein, der gut und gerne noch 20 Jahre super trinkreif ist.
10. Was wünschen Sie sich für die nächsten Jahre?
T.H.: Ein glückliches Händchen bei den kommenden Entscheidungen. Gerade die Klimaveränderung stellt uns mit früherem Austrieb, Blüte und Reife vor neuen Herausforderungen. Aber natürlich ist die Gesundheit meiner Familie das Wichtigste für mich. Meine Frau und 2 unserer Kinder sind mit im Betrieb und haben sich super eingearbeitet. Mit unserem Enkel Mats steht vielleicht schon eine weitere Generation bereit... Das freut uns sehr.